Ungefähr ein Jahr nach meiner eigenen Burnout Erfahrung habe ich das Buch „Seeleninfarkt“ von Dr. Ruediger Dahlke gelesen. Seite um Seite habe ich es verschlungen, ein Aha-Erlebnis hat das andere gejagt. Ich habe verstanden, was ich in dem jahrelangen Prozess übersehen habe: die Arbeit muss SINN machen! Nicht nur das natürlich, aber der Sinn der Arbeit ist besonders wichtig! Und deswegen steht Burnout immer auch gleich für Boreout, weil extrem gelangweilt zu sein, kann auch krank machen.
Machen wir uns auf die Suche nach den Hauptursachen für Seeleninfarkte, also Burnouts und Boreouts und diesmal widme ich mich dem Auslöser „Umgang mit der Zeit“.
Guter oder schlechter Stress?
Stress ist nicht immer schlecht. Dazu müssen wir „guten“ Eu-Stress von „negativem“ Di-Stress unterscheiden. Guter Stress beflügt uns, gibt uns Kraft und Energie. Negativer Stress überfordert uns, hinterlässt uns am Ende ausgelaugt und erschöpft. Es gibt Menschen, die können Unglaubliches leisten, ohne dabei ein Burnout zu erleiden. Sie folgen meist ihrer Vision und sind vom Sinn ihrer Aufgabe und ihres Lebens überzeugt und erfüllt. Sie brennen dafür, ohne auszubrennen und können enorme Energien mobilisieren.
Deutlich abzugrenzen sind solche Menschen allerdings von denen, die äußerlich brennen und in den ersten Stufen des Burnout-Prozesses noch für die Firma brennen und sich durch ihren Drang, sich zu beweisen, auszeichnen. Wenn sie ihr Feuer nicht gut dosieren können, wird es verglühen. Die typisch schulmedizinische Antwort auf solche Zustände ist oft die Empfehlung, eine Pause zu nehmen oder weniger derselben Aufgabe zu machen – das ist nicht die Antwort, die hilft. Hinterfragt muss werden, ob das, wovon zu viel gemacht wird, für denjenigen SINN macht.
Für etwas brennen oder an etwas verbrennen
Heute haben immer weniger Menschen einen echten Beruf bzw. folgen ihrer Be-ruf-ung. Sie sind froh über einen Job, der inhaltliche Aspekt wird nebensächlich. Dieser Zustand ist auf Dauer kein befriedigender.
Wir müssen diese drei Fragen positiv für uns beantworten:
- Kann ich mich dieser Aufgabe hingeben?
- Kann ich durch diese Aufgabe Sinnhaftigkeit erfahren?
- Gibt sie mir ein Gefühl des Gebrauchtwerdens?
Nur dann habe ich einen guten Schutz gegen ein Burnout.
Ist immer die Firma schuld? Oder ist nie die Firma alleine schuld?
Es ist nie nur die Firma schuld. Es liegt schon immer in der Persönlichkeit und den stressverschärfenden Gedankenmustern, die einen Menschen in ein Burnout treiben. Aber es ist immer auch die Firma mit-verantwortlich: eine Firmenkultur oder eine Führungskraft ist immer mit-verantwortlich an einem Burnout. Sei es, weil immer die gleichen Menschentypen eingestellt werden, die sich ständig zu sehr vorantreiben. Sei es, weil der Druck enorm groß ist. Sei es, weil Empathie nicht gelebt wird und es kein persönliches Interesse an den Mitarbeitern gibt. Und und und. Das klingt alles sehr schwarz-weiß, natürlich gibt es dazwischen viele Grautöne, in denen sich zwischenmenschlich viel abspielt - oder eben auch nicht.
In vielen Konzernen wird die Zahl der Mitarbeiter dramatisch verringert, obwohl die Produktion steigt. Natürlich sind dafür auch Verbesserungen der Produktionsabläufe verantwortlich, aber der Arbeitsdruck und das Wegrationalisieren „unproduktiver“ Zeiten spielen genauso mit. Das Konzept von Firmensanierungen ist meist gleich: Einsparung eines hohen Anteils von Mitarbeitern bei Übernahme von deren Aufgaben durch verbliebene „Leistungsträger“. Diese geraten dadurch natürlich noch mehr unter Druck. Die hohen Kosten dieser Verdichtung in Betrieben werden auf die Krankenkassen abgewälzt. Warum sollte sich also von Seiten der Arbeitgeber etwas ändern?
Kurzfristiges, kurzsichtiges, einseitiges Denken
Leider gelten in unserer modernen Gesellschaft das Leistungsdenken und materielles, finanzielles Wachstum wesentlich mehr als Entspannung und Zeit für Regeneration. Ayurvedisch betrachtet befeuern wir unser Pitta (Transformationsenergie) durch einen stressigen Lebensstil, bis es ausbrennt. Die männlichen energieverausgabenden Energien werden in der modernen Welt verherrlicht. Alles dreht sich um Quantität und Maximierung. Von der weiblichen Energie hören wir hingegen wenig – die Gegenpole wie Mitgefühl, Liebe und Nächstenliebe, Hingabe und Regeneration, Ruhe und Loslassen, Lebensgenuss und Freude kommen heutzutage eindeutig zu kurz. Auf das kann unser Körper nur mit Symptomen reagieren, die aufzeigen, dass er aus der Balance ist. Typisch dafür sind z.B. die Übersäuerung, aber auch Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Probleme. Im Ayurveda kennen wir diese als typische Pitta-Erkrankungen.
Veränderte Beziehungsqualitäten
Die Burnout Gefahr ließe sich durch intakte, glückliche Beziehungen abfangen. In einer liebevollen erfüllten Partnerschaft lebend lassen sich Arbeitsprobleme leichter verarbeiten. Leider entwickelt sich aber auch hier unsere Gesellschaft in eine Richtung, die nicht Halt gibt. Von der Sippengemeinschaft über die Großfamilie hin zu Einkind- oder alleinerziehenden Familien führt die Entwicklung. Unsere modernen Beziehungsmuster sind eigentlich nur für aktive, attraktive, fitte und erfolgreiche Leute ansprechend. Ein Gefühl von Geborgenheit und Wärme geben diese nicht. Auch die Kirche kann nicht mehr Halt geben, der Glaube ist nicht mehr so fest in uns verankert wie vor ein paar Jahrzehnten. Die meisten von uns sind auch hier Suchende geworden.
Die Qualität des Augenblicks
In unserer schnelllebigen Zeit sparen wir, wo es nur geht, Zeit - auch wenn es uns schadet. Oft wissen wir aber gar nicht mehr, was uns wirklich gut tut, um die gesparte Zeit zu genießen und gut für uns zu nutzen. Oder wir füllen sie weiter mit Arbeit aus. Burnout-Kandidaten erlauben vor allem in den ersten Phasen des Enthusiasmus immer mehr, dass die Arbeitszeit sich in die Freizeit hineinfrisst und Feierabende und Urlaube angeknabbert werden. Wenn das zur Gewohnheit wird und Entspannungsphase nicht mehr als solche geschätzt und gelebt werden, wird die Spirale ihren Gang nach unten nehmen. Zusätzlich passiert es über-engagierten Menschen oft, dass sie an ihre Freizeitaktivitäten auch mit den Ansprüchen der Leistungswelt herangehen, z.B. für einen Marathon trainieren statt einfach genießend im Wald tief die frische Luft einatmend zu laufen. Unsere Achtsamkeit für das Glück des Augenblicks können wir trainieren.
Das Besondere des Hier und Jetzt
Wir wissen, dass es uns besonders gut tut, im Hier und Jetzt zu leben und den Augenblick zu genießen. Trotzdem fällt es uns so schwer, sind wir abgelenkt durch die Hektik rund um uns. Eigentlich drängen uns aber immer kürzere Arbeits- und Liebesverhältnisse doch dazu, mehr im Jetzt zu sein, weder der Vergangenheit nachzuhängen, noch sich vor der Zukunft zu sorgen, die sowieso nicht kontrollierbar ist. Immer öfter zwingen uns äußere Umstände dazu, loszulassen, in dem wir plötzlich gekündigt werden oder unsere Partner uns verlassen. Wenn dann unsere größte Sorge eingetreten ist, es nicht mehr schlimmer werden kann, leben wir im Hier und Jetzt und oft ist die Erleichterung groß. Natürlich sind die selbst und bewusst gewählten Augenblicke eines Hier und Jetzt-Erlebnisses die schöneren: wir können sie bei einem Gipfelsieg spüren, wenn wir mit unserem Hund im Wald spazieren gehen, mit unserer Familie bewusste schöne Momente schaffen, aber auch bei Meditationen, wenn wir einen Augenblick bewusst erleben. Nicht umsonst wird in vielen spirituellen Glaubensrichtungen zur täglichen Zeit für Meditation, Stille und Rückzug aufgerufen.
Zusammenfassend möchte ich die Wichtigkeit des SINNs deiner Arbeit noch einmal betonen. Hinterfrage ihn regelmäßig und prüfe deine innere Offenheit für Veränderung. Baue in deinen Alltag regelmäßige Oasen der Augenblicke im Hier und Jetzt ein. Und lerne die Qualitäten von Mitgefühl, Liebe und Nächstenliebe, Hingabe und Regeneration, Ruhe und Loslassen, Lebensgenuss und Freude schätzen.
Ich hoffe, dass dir diese Hinweise Impulse für einen achtsamen Umgang mit deiner geistigen Gesundheit geben konnten und freue mich über deinen Kommentar oder deine Kontaktaufnahme.
Alles Liebe, deine
Cornelia Pessenlehner
Kommentar schreiben